August Strindberg: Die Leute auf Hemsö

  Jeder für sich und Gott für uns alle

August Strindberg (1849 – 1912) ist unstrittig einer der wichtigsten schwedischen Autoren. Zu Lebzeiten angefeindet, gehören seine Romane, Novellen und Dramen heute zu den bedeutendsten Klassikern der schwedischen Literatur.

Einer seiner leicht zugänglichen Romane stammt aus dem Jahr 1887, als Strindberg für mehrere Jahre im Ausland lebte. Das schmale Buch erschien auf Deutsch als Die Inselbauern, Die Hemsöer oder Die Leute auf Hemsö und spielt um 1880 auf einer fiktiven Schäre im Stockholmer Schärengarten.

Mehr als ein gewöhnlicher Knecht
Nach Hemsö kommt an einem Apriltag „wie ein Schneewirbel“ (S. 5) der junge mittellose Värmländer Johannes Edvard Carlsson, der sich schon in so mancher Branche verdingt hat und nun als Knecht dem heruntergekommenen Hof der Witwe Anna Eva Flod neues Leben einhauchen soll. Von Beginn an signalisiert „die Alte“, die von ihrem Gesinde mit „Tante“ angesprochen wird, dass sie große Hoffnungen auf Carlsson setzt und in ihm mehr als den Knecht sieht:

Und das ist auch der Grund, Carlsson, weshalb ich Ihn herkommen ließ! Damit Er nach dem Rechten sieht! Und darum soll Er sich auch für’n bißchen mehr halten und ein Auge auf die Burschen haben. (S. 11)

Das wiederum spornt Carlssons Ehrgeiz an. Prompt sieht er sich als eine Art Inspektor, führt das große Wort, verlangt eine eigene Kammer und schaltet und waltet, fast wie er will.

Einziges Aufstiegshindernis ist der Sohn des Hofes, der nur zehn Jahre jüngere Gusten, der sich statt für die Hofarbeit nur für Fischfang und Jagd interessiert und dem seeunkundigen Neuzugang vom Festland misstrauisch-feindselig gegenübersteht.

© B. Busch. Hintergrund: Im Schärengarten vor Stockholm. © M. Busch

Als sich dank Carlsson Geschick, Fleiß und Erfindungsreichtum Erfolge einstellen und seine nach zweijähriger Witwenschaft von Fleischeslust gepeinigte Arbeitgeberin ihm immer deutlichere Avancen macht, scheint sein Weg nach oben frei:

Und fängt Er’s klug an, sitzt Er bald auf eigenem Hof; früher als Er glaubt. (S. 60)

August Strindberg im Porträt von Edvard Munch 1896. Munch Museum Oslo. © B. Busch

Ein Klassiker, der Spaß macht
Ich hatte zunächst Respekt vor der Lektüre eines Strindberg-Romans, ganz zu Unrecht, denn der Roman lässt sich sehr gut lesen. Zwar sind die männlichen Charaktere und ihre Beweggründe durchweg stärker beschrieben als die weiblichen, trotzdem hinterlassen alle einen bleibenden Eindruck. Die alte Sprache mit der Anrede „Er“ ist nur kurz ungewohnt, passt aber vorzüglich in die Dialoge, die mir neben der malerischen Beschreibung von Landschaft, Menschen und Gebräuchen und dem immer wieder durchscheinenden Humor am meisten Spaß beim Lesen gemacht haben. Es wird getrickst, betrogen und für den eigenen Vorteil gelogen und Pastor Nordström, die stärkste Nebenfigur, längst mehr Fischer und Bauer als Kirchenmann, setzt überlange Gottesdienste als Strafe für seine ungehorsamen Schäfchen ein und trinkt so hemmungslos, dass er nicht mehr ins richtige Bett findet. Aber egal, was die Menschen unternehmen und planen, am Ende hat die Natur das letzte Wort und entscheidet über Wohl und Weh. Dann heißt es:

Jeder für sich und Gott für uns alle. (S. 181)

Die Leute auf Hemsö ist 135 Jahre nach seinem Erscheinen alles andere ein verstaubter Klassiker und daher auch heute noch empfehlenswert.

August Strindberg: Die Leute auf Hemsö. Übersetzt von Hans-Jürgen Hube. Mit 15 Illustrationen von Harald Metzkes. Winkler 1984

 

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